Neue Mietobergrenzen 2014: Alter, gepanschter Wein in neuen Schläuchen

Alter, gepanschter Wein in neuen Schläuchen
Am 31. Oktober wird die zuständige Sozialdeputation(Ausschuss der Bremischen Bürgerschaft) neue Obergrenzen und Verfahrensregelungen für die Übernahme von Mietkosten in Bremen beschließen. Direkt Betroffen sind ca. 40.000 Haushalte im Leistungsbezug mit annähernd 100. 000 Menschen.
Was wird sich ändern? Hilft die neue Regelung Menschen bei der Wohnungssuche, beim Verlassen verschimmelter oder überbelegter Wohnungen ? Nein, im Gegenteil.
Nach Auffassung des Bremer Erwerbslosenverbandes wird sich die Situation der Leistungsberechtigten nicht verbessern, allgemein tendenziell verschlechtern und für bestimmte Personengruppen sogar deutlich verschlechtern.

Die Ausgangslage:
Nach heftigen Protesten von Erwerbslosen und zahlreichen Niederlagen der Hartz IV -Behörden vor den Sozialgerichten wurden die offiziellen Richtwerte für die Mietobergrenzen 2006 angehoben. Bereits wenige Jahre später (2009/10) entscheid das Sozialgericht Bremen durchgehend, dass die noch einmal höheren Richtwerte der Wohngeldtabellen (Stufe 4) in Bremen für die Gewährung von Mietzahlungen anzuwenden seien. Dies wurde dann letztlich auch von den Behörden anerkannt. Die Werte der bundesweiten Wohngeldtabelle stammen aus dem Jahr 2009. Seither sind die Mietpreise um im Durchschnitt um 25 Prozent -Punkte gestiegen. Dies veranlasste die Sozialgerichte für den Bremer Raum, bei vorliegenden Klagen in den meisten Fällen noch einmal einen Zuschlag von 10 Prozent-Punkten oberhalb der Wohngeldtabellenwerte als angemessen anzuerkennen. Dies ist eine Tendenz, die nicht zwingend in jedem Fall zum Tragen kommt.

Die jetzt von der Sozialbehörde vorgestellten Obergrenzen tragen der Preisentwicklung auf dem Wohnungsmarkt nicht Rechnung. Da sie auf einer bisher nicht veröffentlichten Untersuchung basieren und eine Ableitung auf die vorgestellten Werte nicht nachvollziehbar ist, kann über die Qualität der Untersuchung nur Spekuliert werden. In jedem Fall wird die von der Behörde vertretene Behauptung, die neue Obergrenzen basieren auf einer wissenschaftlichen Untersuchung, den Zweck erfüllen zunächst einmal die Flut von Gerichtsentscheidungen erheblich zu reduzieren, die den Klagenden höhere Kosten zubilligen als die behördlichen Werte. Dies könnte die Behörde für ein bis zwei Jahre vor Niederlagen vor den Sozialgerichten schützen und die ihre Ausgaben reduzieren.
Die Leistungsbeziehenden müssten diese Suppe auslöffeln, zum einen mit extrem schlechten oder beengten Wohnverhältnissen oder aber damit, dass sie die von den Behörden nicht übernommenen Wohnkostenanteile aus der eigenen Tasche, sprich ihren Regelleistungen (diese liegen unterhalb der offiziellen Armutsgrenze), bezahlen.

Übersicht der Mietobergrenzen in Bremen ohne Sonderregelungen

2007 / 2010 Wohngeld / 2013 plus 10 % / Behörde 2014
1 Person / 320/ 358 / 393,80 / 377
2 Personen / 380 /435  / 478,50  /428
3 Personen /440  /  517  / 568,70  / 507
4 Personen /505 / 600 / 660 / 620
5 Personen / 580 / 688 / 756,80 / 751

Die genannten Richtwerte bzw. Obergrenzen beinhalten alle Kosten der Wohnung, ohne Strom und Heizung. Folglich müssen sowohl Kaltmiete, Betriebskosten und die Kosten für Wasser/Abwasser innerhalb der genannten Werte sein.

Für einige Stadtteile in Bremen, in denen ein höheres Mietniveau angenommen wird, ergeben sich höhere Obergrenzen:

Stadtteile Mitte, Horn-Lehe und Findorff plus 10 Prozent
Stadtteile Östliche Vorstadt, Schwachhausen, Oberneuland und Borgfeld plus 20 Prozent

Im Rahmen der Neuregelung sollen die bisherigen 10 Prozent Zuschläge für die Vahr, Grolland und Alt-Osterholz entfallen.

Zur Wirkung und Funktion der Mietobergrenzen für Leistungsbeziehende
Wird während des Leistungsbezuges eine neue Wohnung gesucht und bewerben sich die Suchenden bei einer Wohnungsbaugesellschaft, so wird ihnen die Wohnung nur dann vermietet, wenn sie eine Kostenzusicherung der Hartz IV- oder Sozialämter vorlegen können. Diese Kostenzusicherung wiederum wird von den Ämtern nur erteilt, wenn die Miete sich innerhalb der oben genannten Grenzen bewegt.
Einer oder eine Hartz IV beziehendeAufstockerin oder Aufstocker, derenoder dessen Lohn vom Jobcenter aufgestockt wird, kann somit nicht ihre oder seine Freibeträge einsetzen, um eine Wohnung oberhalb dieser Grenzen anzumieten. Lediglich bei einigen Privatvermietenden ist dies möglich.
Dieser Mechanismus befördert den Zuzug ausschließlich in Altbauquartieren bzw. mehrgeschossigen Stadtrandquartieren.
Wird der Job verloren oder es kommt zu einer Trennung (oder dem Auszug von älteren Kindern während des Leistungsbezuges)und wird dann z.B. Hartz IV beantragt und die Wohnung liegt um mehr als 10 Prozent-Punkte oberhalb der genannten Obergrenzen, so wird in der Regel nach einer Frist von mindestens 6 Monaten die von den Ämtern gezahlte Miete auf die Obergrenzen reduziert. Die Restbeträge müssen dann aus den Regelleistungen bestritten werden oder es ist absehbar mit Mietschulden und Kündigung zu rechnen.
Mit der Deckelung der Mietobergrenzen durch die Stadt soll auch dem allgemeinen Preisanstieg für Mietwohnungen begegnet werden. Da ca. 30 Prozent aller Mieterhaushalte in Bremen Leistungsempfangende sind, stellen die ihnen zugebilligten Obergrenzen ein erhebliches Mittel zu Mietpreisdämpfung bei. Dies wird von der Politik bewusst eingesetzt. Das Druckmittel sind die Leistungsbeziehenden, deren Lebensansprüche zwischen hohen Preisvorstellungen der Vermietenden und den Kürzungsabsichten der Politik zerrieben werden.
Die Neuregelungen sind eine Mogelpackung. Es wird eine objektive, wissenschaftliche Erhebung der zugänglichen preiswerten Wohnungen vorgetäuscht aber gleichzeitig ein rigider Kürzungskurs gefahren, der insbesondere bei 2 und 3-Personenhaushalten (Alleinerziehende und ältere Paare / Altersarmut) zu deutlichen Verschlechterungen gegenüber der jetzigen Situation führt.
Mit Mietobergrenzen und der Förderung des sozialen Wohnungsbaus kann unter marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die in Folge auf die Erhöhung der Gewinne aus der Vermietung abzielen, kein Anspruch auf menschwürdiges Wohnen geschaffen werden.

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